Volleyball-Hilfsprojekt für Tarrafal

Wie aus Ferien ein Volleyball-Hilfsprojekt für Tarrafal, Kap Verde wurde

Von Isa Bircher

Im Frühling 2019 war ich das erste Mal im wunderschönen Tarrafal in den Ferien. Tarrafal ist eine Stadt im nördlichen Teil der Insel Santiago. Santiago ist die grösste der 15 Kapverdischen Inseln. Die Republik Kap Verde liegt im Zentralatlantik, ca. 700 Kilometer westlich vom Afrikanischen Kontinent auf der Höhe von Senegal und ist bekannt für seine kreolische portugiesisch-afrikanische Kultur und die zahlreichen und schönen Strände.

Ein befreundetes Pärchen hat sich bereits vor vielen Jahren auf Reisen in den afrikanischen Inselstaat und besonders in die Stadt Tarrafal verliebt und geht mittlerweile mehrmals im Jahr dort hin. Aus deren Erzählungen und Schwärmereien wurde meine Neugier ebenfalls geweckt und ich durfte mich letztes Jahr ihnen anschliessen und das erste Mal mit ihnen zusammen die Kap Verden besuchen.

Dank den vielen Besuchen kennen meine Freunde viele Einheimische und ausgewanderte Schweizer, welche nun dort leben. Dadurch kam auch ich mit diesen Menschen in Kontakt und lernte deren Kultur und Art näher kennen. So ergab es sich auch, dass wir Mina, eine Schweizerin trafen, welche seit mehreren Jahren dort lebt und mit Nalino, einem Einheimischen verheiratet ist. Wir verbrachten viel Zeit mit Mina und Nalino und sprachen über Gott und die Welt. So erwähnte ich eines Abend nebenbei, dass ich Volleyball spiele. Mina musste lachen und übersetzte es Nalino, der wiederum zu strahlen begann und mir auf Kreolisch antwortete. Sie übersetzte mir dann wiederum, dass ihr Mann auch Volleyball spiele und Volleyball über alles liebe. So nahm ein lustiges und interessantes Volleyball-Gespräch mit ständiger hin- und her-Übersetzung seinen Lauf. Sie erzählten mir, dass viele Menschen, v.a. Jugendliche auf dem Sportplatz mitten in der Stadt Volleyball spielen und Nalino eben dort diese Mannschaften trainiere. Am gleichen Abend hatte ich dann auch die Möglichkeit im Training vorbei zu schauen. Einerseits freute es mich sehr, den Enthusiasmus und die Freude dieser Kapverdischen Volleyballer zu sehen. Andererseits wurde ich beim Zuschauen auch etwas traurig: Das Spielfeld war ein Betonboden und die Spielerinnen spielten alle ohne Knieschoner, teilweise ohne Schuhe und wenn sie Schuhe anhatten, dann waren es ihre normalen Freizeitschuhe! Jedes Mal wenn eine Spielerin einen Ball rettete und hinfiel dachte ich mir nur «Autsch». Ich empfand Mitleid und Trauer, vor allem beim Gedanken an unsere Verhältnisse wie wir unsere Leidenschaft Volleyball ausleben und wie es wiederum bei ihnen aussieht. Aber ich konnte ich ihre Leidenschaft und den Spass am Volleyball spüren. Zu meinem Mitleid mischte sich aber auch Freude, dass auch hier in eher ärmlichen Verhältnissen so engagiert Volleyball gespielt und gelebt wird.

Schon während unserem Gespräch hatten mich Mina und Nalino gewarnt, dass ich nicht zu viel erwarten dürfe. Die Kap Verden sind arm und die Ausrüstung der Teams sei doch eher bedürftig und sicher nicht zu vergleichen mit unserem Schweizer Standard. Es fehle an allen Ecken und Enden. Und so fragten sie mich auch, ob es nicht irgendwie möglich wäre, altes und ausrangiertes Volleyballmaterial ihnen zukommen zu lassen statt zu entsorgen. So überlegte ich mir bereits auf dem Nachhauseweg nach dem Trainingsbesuch, wie ich diese volleyballbegeisterten Kids und Jugendlichen unterstützen könnte. Als ich dann in meinem Ferien-Hause angekommen war startete ich sofort, Volleyballmaterial zusammen zu organisieren, welches wir nicht mehr brauchen. In unserem vereinsinternen Chat schilderte ich meinen Spielerkolleginnen und Kollegen die Situation in Kap Verde und dass es doch toll wäre wenn altes und nicht mehr gebrauchtes Volleyballmaterial gesammelt werden könnte, welches ich dann irgendwie nach Tarrafal schicken wollte.

Ziemlich schnell schrieben die ersten Vereinsmitglieder zurück. Ich erhielt Zusagen für alte Hallenschuhe, Volleyballschoner, Volleyballshirts und auch alte Bälle, welche wir im Verein nicht mehr brauchen konnten. So kamen innert kurzer Zeit viele tolle Sachen zusammen, mehr als ich erwartet hatte! Bereits am nächsten Tag konnte ich Mina und Nalino dann voller Stolz und Freude erzählen, was für Volleyballmaterial wir gesammelt haben und spenden möchten! Ihr hättet die glänzenden Augen von Nalino sehen sollen! Er strahlte und war einfach nur glücklich und gerührt darüber, dass er Hilfe von einem ganzen Verein so weit entfernt erhielt.

Vor meiner Abreise tauschten wir unsere Natelnummern aus um weiterhin in Kontakt zu bleiben und alles organisieren zu können. Ich war jetzt natürlich umso motivierter, möglichst viele Sachen zusammen zu bekommen um die Volleyballmannschaft von Tarrafal zu unterstützen. Wieder zurück in der Schweiz sammelte ich alles ein und merkte dann relativ schnell, dass eine grosse Menge Material zusammen gekommen war. Ich stand vor der Herausforderung wie all dies nach Tarrafal gelangen sollte. Ich erkundigte mich deshalb bei der Schweizerischen Post. Aber meine Idee «kleines Paket, Economy International» konnte ich schnell abschminken; ich realisierte dass es zu teuer werden würde. Diese Idee musste ich begraben. Ich besprach mich daraufhin mit meinen Freunden, den Tarrafal-Fans. Sie teilten mir mit, dass sie ihre nächsten Ferien wieder in Tarrafal verbringen wollten und - was mich noch mehr freute! - dass sie dies mit der ganzen Familie tun wollten! So kamen wir schnell auf die Idee, dass sie anstatt nur 1 jeder je 2 Reisegepäcke mitnehmen könnte. Diese Lösung wäre trotz den Zusatzkosten immer noch bedeutend billiger als das Verschicken mit der Post. So wurde dann das gesamte Volleyballmaterial in Zusatzkoffern verstaut und vorbereitet. Als meine Freunde mir dann noch erklärten, dass sie durch meinen Enthusiasmus und Aktivismus angesteckt worden seien und die Kosten für das Zusatzgepäck selber übernehmen möchten, um so auch ihren Beitrag an «mein Hilfsprojekt» zu leisten war ich ein weiteres Mal gerührt vor Freude! Somit konnten wir das ganze Material nach Tarrafal als Spende geben, es entstanden weder Kosten für unseren Verein noch für Mina und Nalino (welche einen Monatslohn hätten hinblättern müssen, hätten sie die Versandkosten übernehmen wollen!) Wie gesagt: Ich hatte eine Saufreude!

Nun ja, ca. 4 Monate nach meinem Aufenthalt in Tarrafal kam dann das ganze Volleyballmaterial endlich in Tarrafal an und die Volleyballspieler und Spielerinnen freuten sich wahnsinnig! Schon kurz darauf erhielt ich von Mina per WhatsApp tolle Fotos der frisch ausgerüsteten Teams. Ich konnte deren Freude förmlich herausspüren. Diese Fotos schickte ich umgehend weiter in unseren Volleychat, so dass alle sehen konnten was aus ihren alten Volleyballsachen geschehen war. Viele freuten sich darüber und kommentierten die Fotos mit: «Hey, auf diesem Foto sehe ich meine alten Schuhe, toll!» 

Mein kleines Hilfsprojekt hat mich seither nicht mehr losgelassen. Es ist bereits wieder etwas Material zusammengekommen, welches wir dann wiederum nach Tarrafal spenden werden. Man bedenke: Wahrscheinlich wäre alle dieses Volleyballmaterial, dass nun in Tarrafal «weiterlebt» bei uns irgendwann in einem TexAid-Sack oder gleich im Müll gelandet. Eigentlich ziemlich traurig.
Aber unsere Vereinsmitglieder wissen nun, was wir mit diesen Sachen machen und wie wir damit viele Menschen glücklich machen können. Mich macht das natürlich unglaublich Stolz und erfüllt mich mit Freude. Wenn also du, geneigter Leser, ein Paar Hallenschuhe, Sport-Shirts, Schoner oder Bälle herumliegen hast, die noch in gutem Zustand sind lass es mich wissen, bevor es auf dem Müll landet.

Und wer weiss, vielleicht werde ich das nächste Mal diese Sachen persönlich auf dem Sportplatz in einem Training vorbeibringen. Oder vielleicht bist auch du vom Tarrafal-Virus infiziert und reist nächstens dahin? Lass es mich wissen, ich habe sicher ein «Päckli» welches du mitnehmen könntest!

Volleyball-Hilfsprojekt für Tarrafal

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